„Die Weiße Rose“: Widerstand im Zeitalter des Schweigens

Gedenkstätte für die Flugblätter der Weißen Rose am Eingang der LMU

München, 1942. Während überall Kriegsjubel, Paraden und Reden von den Tribünen erschallen, entscheidet eine Gruppe junger Menschen: Es reicht. Genug des Schweigens, genug der Angst, genug der Lügen. Sie greifen nicht zu Waffen. Stattdessen: Stift, Schreibmaschine, Papier. Ihre Revolution beginnt nicht mit einem Knall – sondern mit einem Absatz. Der Name dieser Revolution: „Die Weiße Rose“.

❖ Wer waren sie?

Eine kleine Gruppe von Studierenden und Dozenten der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nicht viele – nur eine Handvoll. Aber genug, um Geschichte zu schreiben.

  • Hans Scholl – einst im Hitlerjugend, dann überzeugter Antifaschist
  • Sophie Scholl – seine jüngere Schwester, besonnen, mutig und mit untrüglichem Gespür
  • Alexander Schmorell – Medizinstudent, orthodoxer Christ und Mitautor der ersten Flugblätter
  • Christoph Probst – Vater dreier Kinder und Mensch mit Gewissen
  • Willi Graf – stiller, aber standhafter Aufklärer unter den Studierenden
  • Kurt Huber – Professor der Philosophie, Stimme der Reife und inneren Glut

Sie verband nicht nur Bildung, sondern auch der Wille, zu denken – und nicht zu schweigen.

❖ Was taten sie?

Die Weiße Rose verteilte anonyme Flugblätter, die die Verbrechen des NS-Regimes – insbesondere an der Ostfront – anprangerten und zu zivilem Widerstand aufriefen. Sie zitierten Platon, Schelling, die Bibel – nicht aus Eitelkeit, sondern auf der Suche nach Halt in einer Welt, die aus den Fugen geraten war.

Die Flugblätter wurden in Kellern, Wohnungen gedruckt – schon der Besitz einer Schreibmaschine war gefährlich. Das letzte – das sechste Flugblatt – warf Sophie Scholl mitten in das Atrium der Universität. Ein Angestellter sah sie und rief die Gestapo. Die Verhaftung folgte unverzüglich.

❖ Alexander Schmorell: das Herz der Bewegung

Alexander Schmorell war einer der Initiatoren. Geboren in Russland, getauft in der orthodoxen Kirche, aufgewachsen mit dem Geist des Dialogs und Mitgefühls. Gemeinsam mit Hans Scholl verfasste er die ersten Flugblätter. Nach der Verhaftung verbrachte er viele Wochen in Einzelhaft, blieb standhaft – und wurde im Jahr 2012 von der Russisch-Orthodoxen Kirche als heiliger Märtyrer Alexander von München heiliggesprochen.

Aus seinem letzten Brief an die Eltern:

„Ich weiß, dass uns ein anderes, schöneres Leben erwartet, und dass wir uns wiedersehen werden. Versteht: Der Tod bedeutet nicht das Ende des Lebens. Im Gegenteil – es ist die Geburt, der Übergang in ein neues, herrliches und ewiges Leben! Der Tod ist nicht furchtbar. Furchtbar ist der Abschied.“

Das war nicht nur ein Abschied – das war ein geistiges Zeugnis.

❖ Wie endete es?

Am 22. Februar 1943 wurden Hans, Sophie und Christoph Probst hingerichtet. Wenige Monate später: Kurt Huber, Alexander Schmorell, Willi Graf. Alle durch das Fallbeil. Niemand verriet die anderen. Niemand bat um Gnade.

Das Paradoxe der Geschichte: Ihre letzten Worte, gesprochen in stickigen Zellen, hallen heute lauter denn je. Die Flugblätter der Weißen Rose wurden später von den Alliierten nachgedruckt und über Deutschland abgeworfen – als Botschaft der Wahrheit.

❖ Wo erinnert man an sie?

  • Geschwister-Scholl-Platz vor dem Hauptportal der LMU
  • Flugblatt-Denkmal, eingelassen in das Pflaster – nicht über, sondern unter unseren Füßen, damit wir hinsehen und uns erinnern, dass das Gewissen eine irdische Angelegenheit ist
  • Russisch-orthodoxe Kirche St. Nikolaus in München, wo eine Ikone des Heiligen Alexander Schmorell zu finden ist
  • Straßen, Schulen, Museen und Ehrenbürgerschaften – überall in Deutschland

Sie hatten keine Parteien, keine Fahnen, keine Armeen. Nur Worte. Doch gerade sie überlebten Führer, Gestapo und Fallbeil.
Und bleiben als Beispiel dafür, dass man selbst in den dunkelsten Zeiten das Licht wählen kann.

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